Wie man aus schmutzigem Plastikmüll neue Wertstoffe gewinnen kann

Wie man aus schmutzigem Plastikmüll neue Wertstoffe gewinnen kann


Traumhafte Aussichten oder doch nur ein Traum? Forschende und Fachleute aus der Industrie haben ein Verfahren entwickelt, mit dem sich auch verschmutztes, unsortiertes PET zu 97 Prozent wiederverwerten lässt. Dabei sind allerdings noch ein paar wichtige Fragen offen.

Plastik ist nicht gleich Plastik. Eine der am häufigsten produzierten Kunststoffverbindungen ist Polyethylenterephthalat (PET), von dem pro Jahr über 80 Millionen Tonnen weltweit erzeugt werden, also 80.000.000.000 Kilogramm. Es wird unter anderem zur Herstellung von Kunststoffflaschen, Folien und Polyesterfasern verwendet. Die beiden Bausteine von PET, Terephthalsäure (70 Prozent) und Monoethylenglykol (30 Prozent), gewinnt man in der Regel aus Erdöl. Von der produzierten Menge werden aktuell nur etwa 10 Prozent recycelt, davon wiederum nur etwa zwei Prozent werterhaltend – z.B. Flasche zu Flasche. Der Rest vergeht unrühmlich: 14 Prozent des PET-Aufkommens werden verbrannt, 40 Prozent landen auf der Deponie und 32 Prozent in der Umwelt, 4 Prozent gehen in den Prozessen verloren. Diese Zahlen gelten weltweit; in Deutschland existiert ein Rücknahmesystem für PET-Flaschen. Dies ermöglicht es, dass hierzulande weit über 90 Prozent der PET-Einwegflaschen stofflich verwertet werden. Etwa ein Drittel des recycelten PET-Materials wird dazu verwendet, neue Flaschen herzustellen. Dass PET-Flaschen für neue Verpackungen mit Lebensmittelkontakt eingesetzt werden können, ist übrigens die absolute Ausnahme: So gut wie alles, was im gelben Sack landet, kann nur für andere Anwendungen recycelt werden (z.B. Putzmittelverpackungen oder Müllbeutel).

PET kann also bereits wunderbar recycelt werden – aber nur, wenn reiner PET-Abfall das Ausgangsmaterial ist. Häufig wird PET jedoch für viele andere Verpackungen, für Textilien und weitere Produkte eingesetzt, bei Verpackungen gerne in Kunststoffgemischen – die nach aktuellem Stand der Praxis nicht recyclingfähig sind. Hier setzt das Verfahren an, das Forschende und Fachleute aus der Industrie im Projekt revolPET gemeinsam entwickelt haben. Das Ziel: PET aus Multilayer- und Mischkunststoffen, egal wie dreckig oder ob Etiketten darauf kleben, vollständig in einen Kreislauf zu überführen. Das Verfahren soll dabei ökologisch und ökonomisch nachhaltig sein und eine sinnvolle Ergänzung zu bisherigen, etablierten Systemen darstellen. Erste Ergebnisse wurden am 5. Juli 2021 bei einem von der Forschungsinitiative „Plastik in der Umwelt“ veranstalteten Webinar vorgestellt (ein Factsheet als pdf zum Download gibt es hier).

Bei dem Recyclingverfahren, das Casten Eichert von der am Projekt beteiligten RITTEC Umwelttechnik GmbH vorstellte, werden die chemischen Verbindungen bzw. Monomere, die die Grundbausteine von PET bilden, wieder gelöst. Dafür unterzieht man den PET-Plastikmüll einer chemischen Depolymerisation. Bei dem kontinuierlichen Verfahren, das Eichert und sein Team entwickelt haben, wird Plastikmüll in die PET-Grundbausteine Monoethylenglykol und Terephthalsäure umgewandelt. Der Clou dabei: Es können alle Formen von PET-Abfall umgewandelt werden, ob Flasche, Verpackung oder Textilien. Andere Wertstoffe, wie z. B. PE, PP oder PA, passieren den Prozess unverändert, man kann sie also weiteren Recyclingverfahren zuführen. Die gewonnenen Monomere haben die Qualität von Neuware und können zu hochwertigen PET-Produkten verarbeitet werden. Dieser Prozess ist dabei beliebig oft wiederholbar, weil immer wieder der Grundstoff hergestellt wird und somit kein Qualitätsverlust stattfindet, wie Carsten Eichert erläuterte. Das Verfahren hat bereits Preise gewonnen, darunter den Deutschen Nachhaltigkeitspreis „Next Economy Award 2021“.

Der Durchsatz an PET-Abfällen in der Versuchsanlage, die bei revolPET® zum Einsatz kommt, beträgt 14 Kilogramm PET pro Stunde. Das sei bei weitem noch nicht wirtschaftlich, räumte Carsten Eichert bei seiner Präsentation ein, man arbeite aber daran, die Technologie weiterzuentwickeln. In einem Skalierungsversuch habe man pro Stunde bereits etwa 200 Kilogramm PET verarbeiten können.

Nicht unerwähnt bleiben soll an dieser Stelle, dass chemisches Recycling jüngst massiv unter Beschuss genommen wurde: Umweltverbände sehen die energie-intensiven Verfahren, insbesondere der Pyrolyse, sehr kritisch. Es ist jedoch bei chemischen Recyclingverfahren zu differenzieren: Das Monomer-Recycling des revolPET®-Prozesses unterscheidet sich grundlegend von pyrolytischen Verfahren. Die neue Technologie löst lediglich die Esterverbindungen, bei milden Temperaturen und ohne zusätzlichen Druck. Es wird kein Öl oder Gas produziert, sondern es entstehen Rohstoffe, die vornehmlich der Produktion von neuem PET dienen.

Die Frage, wie die Ökobilanz des Verfahrens aussieht, war entsprechend auch Teil des revolPET-Projekts und wird von einem Team der TU Braunschweig untersucht. Mandy Paschetag stellte einige Zwischenergebnisse vor. Bei der Prozessökobilanzierung werden alle In- und Outputs berücksichtigt. Beispiele für Inputs sind etwa Betriebsstoffe und Energie, für Outputs Reststoffe und Emissionen. Da das im Projekt entwickelte Verfahren sich aktuell noch in einem frühen Entwicklungsstadium befindet, sei die wirtschaftliche Tragfähigkeit noch nicht nachgewiesen, betonte die Wissenschaftlerin. So fehlten unter anderem Daten zu den optimalen Betriebspunkten der einzelnen Anlageteile . Und auch über die Skalierungseffekte – was also passiert, wenn man das Verfahren im Industriemaßstab einsetzt – wisse man noch zu wenig. Ein Vergleich mit der fossil basierten Erzeugung von PET zeige aber, dass das Verfahren CO2-Äquivalente in großem Umfang einsparen kann. Der Prozess auf dem aktuellen, frühen Entwicklungsstand ist bereits in der Kategorie Klimaänderung (Treibhausgasemissionen oder CO2-Äquivalente) knapp 10 Prozent besser als die Bereitstellung von Monomeren über die fossile Route. Die fortschreitende Entwicklung werde erhebliche Einsparpotenziale mit sich bringen, betonte Mandy Paschetag: Bis die Marktreife erreicht sei, könne dies bis zu 80 Prozent gegenüber der Produktion aus fossilen Energieträgern betragen.

Fazit: Ein Verfahren wie revolPET® kann ein wichtiger Baustein sein, um Wertstoffe zurückzugewinnen und länger im Kreislauf zu halten. Aber es ist, auch wenn sein wirtschaftlich und ökologisch sinnvoller Einsatz realisiert wird, nur eine Teillösung des Grundproblems, dass zu viele der produzierten Kunststoffe vorprogrammierter Abfall sind: Gleichzeitig brauchen wir Maßnahmen, um die große Menge des globalen Plastikmülls zu reduzieren – und zwar, bevor er überhaupt entsteht.

Artikelfoto: © RITTEC Umwelttechnik/borowiakziehe, Mathias Mensch

Text von Wiebke Peters

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