Freizeitverhalten ist wichtige Ursache für Plastikmüll in Flüssen

Freizeitverhalten ist wichtige Ursache für Plastikmüll in Flüssen

An Flussufern hinterlassen Menschen häufig Müll, vor allem aus Plastik. Das zeigen erste Erkenntnisse aus dem Citizen-Science-Projekt Plastic Pirates, bei dem Jugendliche in Deutschland und Europa an bislang mehr als 1.200 Stellen Flussufer und Gewässer untersucht haben. Doch auch Kunststoffproduzenten und ungesicherte Baustellen tragen zum Problem bei.

Die Umwelt ist durch globale Müllverschmutzung, insbesondere durch Plastikmüll, immens belastet. Am besten sichtbar ist diese Problematik im Ozean, jedoch stammt der Großteil des Abfalls aus dem Landesinneren. Flüsse stellen dabei einen wichtigen Eintragspfad dar – doch woher der meiste Müll an und in den Flüssen stammt, ist bisher flächendeckend noch wenig untersucht worden. Um die Bedeutung diverser Müllquellen zu erkennen und mögliche Gegenmaßnahmen ableiten zu können, ist es wichtig, Daten an einer Vielzahl von Standorten zu sammeln. Hier kann das Engagement vieler helfen. So wie es beispielsweise im Citizen-Science-Projekt „Plastic Pirates – Go Europe!“ der Fall ist, bei dem Jugendliche an Fließgewässern Umfang und Art von gefundenem Plastikmüll bestimmen und kartieren. In einem früheren Blogbeitrag hatten wir schon von diesem Projekt und der angewendeten Methodik berichtet. Im vorliegenden Beitrag wollen wir die wissenschaftlichen Erkenntnisse aus diesem Projekt vorstellen.

Die Plastic Pirates-Untersuchungen zeigen, dass die Müllverschmutzung von Flüssen in Deutschland allgegenwärtig ist: An 91 Prozent der Standorte fanden die Jugendlichen Müll, im Durchschnitt ein Müllteil pro zwei Quadratmeter. Am häufigsten werden dabei an den Flussufern Plastikabfälle (ca. 27 Prozent) und Zigarettenkippen (ca. 24 Prozent) gefunden. Der meiste aufgefundene Müll stammte von Besucherinnen und Besuchern, die ihre Freizeit an den Flüssen verbringen und dort Lebensmittel konsumieren.

Dank der zahlreichen Schulklassen und Jugendgruppen, die bislang am Projekt „Plastic Pirates“ teilnahmen, konnten an mehr als 1.200 Stellen in Deutschland Flüsse und Ufer auf Plastikmüll beprobt werden. Dabei zeigen die Probennahmen der Jugendlichen beispielsweise, dass auch in kleinen Bächen hohe Konzentrationen größerer Mikroplastik-Partikel vorkommen können. Das ist eine spannende Erkenntnis, weil kleinere Flüsse von Wissenschaftler*innen normalerweise eher selten beprobt werden.

Schwimmende kleine Plastikteile (1 bis 25 mm groß) fanden sich in 57 Prozent der eingeschickten Proben. Dabei gab es Schwerpunkte, also Standorte, an denen die Plastikpiraten besonders viel großes Mikroplastik einsammelten. „Das ist eine erschreckend hohe Zahl! Obwohl unsere Netze nur Plastikteile mit einer Größe ab 1mm erfassen, sehen wir an diesen Proben, wie stark die Flüsse in Deutschland bereits mit Mikroplastik belastet sind“, sagt Tim Kiessling von der Kieler Forschungswerkstatt, an der die Daten der Plastic Pirates ausgewertet und Ergebnisse publiziert werden.

Mögliche Quellen der gefundenen Mikroplastik-Partikel sind die Kunststoffindustrie und der Einsatz von Dämmmaterial im Bausektor. „In Deutschland identifizierten unsere Forscher*innen sechs Hotspots, an denen die Konzentration von Plastikteilen in Flüssen besonders hoch war. An diesen sechs Probenahmestellen wurden sogar über die Hälfte der kleinen Plastikteile gefunden, die die Plastic Pirates in den Jahren 2016 und 2017 mit dem Netz aus den Fließgewässern gefischt haben“, berichtet Kiessling. Diese Hotspots befanden sich in der Nähe plastikproduzierender Industrie und einer Kläranlage sowie an und unterhalb von Wehren oder in Wohngebieten. Aus dieser räumlichen Verteilung können die Forschenden Rückschlüsse darüber ziehen, was die Plastikverschmutzung verursacht – und wie man diese verringern könnte. Beispielsweise könnten Produzenten von Kunststoffpellets verpflichtet werden, ihre Produkte fest verschlossen zu transportieren und zu lagern.

Das Verfahren zur Auswertung und Analyse der vielen gesammelten Daten ist sehr aufwändig, deswegen sind die Ergebnisse bislang nur für die Jahre 2016 und 2017 publiziert. Weitere Daten werden jedoch laufend online gestellt. Einen Überblick, wo in Deutschland und darüber hinaus Jugendliche bereits für die „Plastic Pirates“ Proben gesammelt haben, ist hier zu finden. Aktuell laufen wieder Probenahmen – Schulklassen sowie Jugendgruppen können noch bis zum 30. Juni 2022 teilnehmen und unsere Aktionsmaterialien bestellen.

Referenzen:

Kiessling, T., Knickmeier, K., Kruse, K., Gatta-Rosemary, M., Nauendorf, A., Brennecke, D., Thiel, L., Wichels, A., Parchmann, I., Körtzinger, A. Thiel, M. (2021). Schoolchildren discover hotspots of floating plastic litter in rivers using a large-scale collaborative approach. Science of the Total Environment, 789. https://doi.org/10.1016/j.scitotenv.2021.147849

Kiessling, T., Knickmeier, K., Kruse, K., Parchmann, I. (2020). Die Plastikpiraten – Teilhabe an echter Wissenschaft durch Citizen-Science. Unterricht Chemie 179. https://www.friedrich-verlag.de/chemie/gesellschaft-nachhaltigkeit/die-plastikpiraten-5067

Kiessling, T., Knickmeier, K., Kruse, K., Brennecke, D., Nauendorf, A., Thiel, M. (2019). Plastic Pirates sample litter at rivers in Germany – riverside litter and litter sources estimated by schoolchildren. Environmental Pollution 245:545 – 557. https://doi.org/10.1016/j.envpol.2018.11.025

Text: Tim Kiessling, Sinja Dittmann, Wiebke Peters

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